Annette, Januar - März 2017

1 Land, 12 Wochen, 1000 Erinnerungen

Von Januar bis Ende März war ich im wunderschönen Indien, davon insgesamt circa 6 Wochen in Mysore. Als ich dort ankam, hat mich die Mutter Oberin vom Bahnhof abgeholt und mich direkt sehr nett willkommen geheißen. Als wir auf dem Klostergelände ankamen, war ich von dem paradiesischen Ort total beeindruckt: ein riesiges Grundstück mit allen erdenklichen Gemüse- und Obstsorten, Kühen, Kaninchen, Hunden, Fischen und einer einfach absolut himmlischen Atmosphäre. Mein Zimmer hatte ich mir im Vorhinein auch rustikaler vorgestellt, aber ich hatte mein eigenes Bad, einen großen Schrank, ein Doppelbett mit Moskitonetz und einen Schreibtisch. Die anderen Mädels und auch die paar wenigen Jungs im Kloster haben mich auch sehr freundlich aufgenommen und waren sehr neugierig. Öfters mal habe ich mit ihnen etwas unternommen, sie haben mir Mysore gezeigt, mich zu sich nach Hause eingeladen und mir bei vielen Dingen geholfen. Durch sie konnte ich das typische Studenten- und auch das Familienleben von jungen Inderinnen und Indern kennenlernen.

… Das Essen im Kloster war absolut in Ordnung und für mich als Person, die gerne scharf isst, auch nie zu stark gewürzt – eher im Gegenteil. Morgens gab es eine der typischen indischen Frühstücksspeisen, mittags und abends Reis mit Gemüse und wenn man möchte auch Fleisch oder Fisch. Nachmittags gab es immer Tee und etwas Kleines zu Essen. Was ich super fand ist, dass sich die Nonnen zum größten Teil selbst versorgen, also kommt fast alles, was auf dem Tisch landet, von der eigenen Farm. Ansonsten war das Klosterleben sehr entspannt…

Die Arbeit im Kindergarten begann jeden Morgen gegen neun Uhr, wenn dann die Kinder so langsam nach und nach ankamen. Von Beginn an sagten mir die Schwestern, ich müsse wirklich nur arbeiten, wenn ich möchte, es geschah also alles auf absolut freiwilliger Basis. Das war dann auch der Grund dafür, dass sich meine Eigenverantwortung und Eigenständigkeit bei der Arbeit in Grenzen hielt, weil ich zwischendurch eben auch mal wieder für ein paar Wochen gereist bin, also war ich keine wirklich zuverlässige Arbeitskraft. … Gut gefallen hat mir immer die Assembly um kurz vor elf, wo sich alle Kinder des Kindergartens treffen, ein paar Reime aufsagen und Lieder singen. Mittags kurz vor Schulschluss habe ich dann meistens auch noch ein paar Lieder mit ihnen gesungen und ihnen versucht kleine Bewegungslieder beizubringen. Insgesamt war die Arbeit ganz spaßig, vor allem die Kinder haben sich immer super gefreut, wenn ich da war und ein paar von Ihnen sind mir auch ganz schön ans Herz gewachsen. Wenn ich nun aber auf die Zeit in Indien zurückblicke, denke ich eher weniger an die Arbeit, da es erstens nur circa drei einhalb Stunden am Tag waren und es auch wirklich oft ausgefallen ist. Die Inder haben sehr gerne frei und lieben Feiertage und Festivals!

... Mysore und die Umgebung bieten wirklich viele Sehenswürdigkeiten und Beschäftigungsmöglichkeiten, es wird einem also nicht schnell langweilig dort! Nicht nur der Palast (der aber auf jeden Fall auch sonntags abends sehr sehenswert ist, wenn er in knapp 100.000 Lichtern erstrahlt), sondern auch Chamundi Hill (am besten bei Sonnenuntergang), der Jaganmohan Palace (mit einer schönen Ausstellung), die Balmuri Falls (je nach Jahreszeit), der Devaraja Market (der als einer der buntesten und schönsten Märkte in Südindien gilt) und vieles mehr gibt es dort zu besuchen. Was sich außerdem besonders lohnt sind Ausflüge nach Srirangapatnam, wo es einen Hindutempel, ein sehr schönes Mausoleum und einen Sommerpalast gibt, und nach Somnathpur, dort ist ein Hindutempel, der sich allerdings durch den sternförmigen Sockel, auf dem er erbaut ist, stark von den ‘gewöhnlichen‘ hinduistischen Tempeln unterscheidet. Beide Orte liegen circa ein einhalb Stunden von Mysore entfernt und sind einfach mit dem Bus zu erreichen. … Und jetzt zu meinen Reisen: die ersten zwei Wochen in Indien war ich in Kottayam in Kerala bei einer Familie, die ich aus Deutschland bereits kannte. … Nach meiner Zeit in Kerala habe ich einen Bekannten in Bangalore besucht, der mir die Stadt gezeigt hat. … Von dort ging es dann nach Mysore und nach drei Wochen dort habe ich mich dann auf meine zweite Reise gemacht. Zuerst ging es mit dem Nachtzug nach Hampi, was ich jedem (und wirklich jedem!) Reisenden im indischen Süden nur empfehlen kann! ... In Mumbai war ich bei zwei super coolen Couchsurfern, die mir am ersten Abend schon viel zeigten und mich mit dem Bahnverkehr in Mumbai vertraut machten. … Am nächsten Tag ging es dann mit dem Nachtbus weiter an den Kudlee Beach nach Gokarna, wo ich Freunde zu einem Festival dort treffen wollte. Gokarna ist ein kleines Städtchen an der Westküste und ist um einiges weniger touristisch als das nahegelegene Goa. Dort habe ich die meiste Zeit in einer Hängematte am Strand gelegen, war im Meer schwimmen, habe Kokosnuss getrunken und einfach die Zeit dort genossen. Die unschlagbar günstigen Hütten (200 Rupien!) liegen wirklich direkt am Strand und sind natürlich nicht besonders komfortabel, aber absolut ausreichend für ein paar Tage!

… Die Tage dort waren super schön, das lag aber am meisten daran, dass er mir seine Hotspots zeigen konnte, die für Touristen eher unbekannt sind, und dass ich Zeit mit ihm und seinen Freunden verbringen konnte… Nach dieser Nacht ging es dann endlich wieder zurück in mein indisches ‚Zuhause‘. Insgesamt habe ich in Indien das Reisen als junge blonde Frau als total angenehm empfunden. Besonders die (Nacht-)Züge habe ich sehr gemocht, denn auch dort lernt man immer nette Leute kennen und ich finde sie auch vergleichsweise komfortabel. Wenn man mal nicht weiterweiß oder keine Ahnung hat, wo man ist, kann man immer Leute fragen, man darf sich nur nicht scheuen. Oft kommen die Leute auch auf einen zu, wenn sie sehen, dass man gerade etwas auf dem Schlauch steht.

Als ich dann wieder nach Mysore kam, freuten sich wieder alle, dass ich zurück war und ich freute mich auf die letzten 10 Tage dort. Diese nutzte ich vor allem, um mich im Kindergarten zu verabschieden, den Kindern meine Mitbringsel wie Bleistifte, Kreide und Süßigkeiten zu geben und einfach die Zeit im Kloster und bei Adil zu genießen. Als ich Mysore dann verlassen musste, war ich wirklich traurig, ich wäre gerne noch ein paar Wochen länger geblieben. Von Bangalore nahm ich den Flieger nach Dubai, wo ich auch nochmal ein paar sehr schöne Tage verbrachte.

Insgesamt blicke ich auf die Zeit in Indien jetzt, wo ich seit circa 3 Wochen wieder zu Hause bin, absolut positiv zurück, denn in der ganzen Zeit ist mir nie irgendetwas auch nur ansatzweise Schlimmes passiert (was auch damit zusammenhängen könnte, dass ich ein absoluter Glücksmensch bin). Ich habe noch nie ein Volk kennengelernt, dass sich durch so eine grenzenlose Gastfreundschaft und bedingungslose Hilfsbereitschaft auszeichnet! Ich habe so viele nette Leute kennengelernt, von denen ich viele gerne wiedersehen möchte, weshalb ich schon meine nächste Indienreise plane!

 

Abschließend möchte ich mich deshalb vor allem bei Klemens, Hannah, Alexandra und Michaela ganz herzlich für die super Zusammenarbeit bedanken! Egal, was ich gerade brauchte, wissen wollte oder was gerade los war, sie waren immer erreichbar und haben meistens innerhalb einiger weniger Stunden geantwortet. Dafür, dass mir diese wundervollen Erfahrungen ermöglicht wurden, bin ich mehr als dankbar und plane darum ja auch schon meine nächste Reise mit mylabadi!


Michaela, Juli - September 2016

10 Wochen in Indien – um zahlreiche Erfahrungen reicher

Über meine Zeit bei der Stelle I1

 

Von Mitte Juli bis Ende September 2016 habe ich ein Praktikum in bei Stelle I1 in Mysore, Südindien absolviert. Mysore liegt in Karnataka und ist zum Leben wirklich angenehm. Die Stadt ist – für indische Verhältnisse ;) - relativ sauber und wohlhabend und mit ihrem Palast auch touristisch nicht uninteressant. Auch die Infrastruktur ist für Reisefreudige nicht schlecht: Es gibt eine Bahnlinie nach Osten in Richtung Bangalore (die Hauptstadt von Karnataka), eine nach Norden in Richtung Hassan (von hier aus kann man dann entweder an die Küste weiter oder weiter in den Norden nach Hampi) und eine nach Südosten in Richtung Chennai, Tamil Nadu. Dazu kommen zahlreiche Busverbindungen in nahezu alle Richtungen :) Der nächste internationale Flughafen von Mysore aus ist Bangalore. Er ist mit einem Flybus in 4 Stunden zu erreichen, was für Menschen, die Indien per Flugzeug erkunden wollen, natürlich nicht so angenehm ist, aber so ab und an kann man diese Fahrt schon einmal auf sich nehmen! Überhaupt muss man in Indien immer viel Zeit einplanen, wenn man irgendwohin möchte. Hier ist man nicht mal schnell an der Küste oder im nächsten Bundesstaat – die Wege sind weit und der Verkehr eher langsam (aber dafür auch günstig!).

 

Nun aber zu meinem Praktikum und dem Leben im Kloster. So ganz viel Zeit habe ich ehrlich gesagt gar nicht hier verbracht. Als ich in Mysore im Juli ankam, hat mich die Mutter Oberin zu ihrer Familie im Norden des Bundesstaates eingeladen. Wir haben dort 2 Wochen verbracht, ich konnte Einblick in das indische Familienleben gewinnen und die Kids haben mir viel über die Schule berichtet. Zurück im Kloster habe ich mein eigentliches Praktikum begonnen. Es gibt hier auf dem Gelände drei Vorschul-Gruppen: Die Babies, die Midis und die Großen. Insgesamt sind es rund 120 Kinder aus ärmeren Verhältnissen und mit verschiedenen Religionen (vor allem Muslime und Hindus). Zu Beginn habe ich bei den Mittleren mitgeholfen. Ich habe sie bei ihren Schreibübungen in Englisch unterstützt und mit ihnen englische Reime geübt. Generell gibt es in Indien keinen Kindergarten, wie wir ihn in Deutschland kennen (mit Spielen, Ausflügen und so). Bei einer so großen Bevölkerung kann man sich nur mit Bildung durchsetzen und daher lernen bereits die 3-Jährigen Englisch, Schreiben und Lesen. Um 9 Uhr beginnt der „Unterricht“: Dann heißt es 2 Stunden lang Schreiben üben, dann gibt es eine Lunchpause und danach geht es weiter mit dem Alphabet in Englisch und Kannada, englischen Songs und dem 1x1. Wer mir den Bildern eines deutschen Kindergartens im Kopf hierher kommt, bekommt erst einmal einen Schock. Disziplin und Fleiß sind hier die höchsten Gebote und Zeit zum Spielen und Spaß haben bleibt da kaum. Auch fehlt dazu das nötige Material sowie Personal. 40 Kinder pro Klasse sind durchaus eine Herausforderung... Auch sind die Erziehungsmethoden strenger als in Deutschland. Doch Indien ist nun einmal noch ein Entwicklungsland und man kann natürlich nicht erwarten, dass ihre Schulen und Vorschulen so sind wie in Europa. An sich hat die Arbeit mit den Kids aber viel Spaß gemacht. Die Verständigung war natürlich schwierig – ihr Englisch steckt ja noch in den Kinderschuhen (wortwörtlich) und mein Kannada beläuft sich auf etwa 2 Wörter :D Doch mit Kindern kann man sich auch immer ohne Worte verständigen und man hat ihnen angemerkt, dass sie happy sind, eine weiße Lehrerin zu haben ;) Nach einiger Zeit bin ich in die „Baby-Class“ gewechselt. Hier wird auch schon fleißig geübt, aber das Klima ist lockerer als bei den Midis, was mir eher zugesagt hat.

 

Ich habe mir während meiner Zeit in Mysore immer mal wieder einige Tage freigenommen, um zu reisen. Ja, ich bin in Indien als Frau alleine gereist und es war völlig problemlos (solange man sich nicht an Anstarren stört). Es gibt so viel zu sehen und zu erleben in diesem Land, aber man muss sich auf die indische Lebensart einlassen :) Für die Nonnen war es völlig okay, wenn ich gereist bin, sie haben mich auch immer gerne in meiner Planung unterstützt und mir Tipps gegeben. Generell sind sie wirklich alle sehr herzlich, die eine mehr, die andere weniger – aber das Leben im Kloster war immer angenehm. Nach den Reisen hatte ich immer das Gefühl, nach Hause zu kommen :) Ich hatte mein eigenes Zimmer, spärlich eingerichtet, aber mit allem, was nötig ist. Durch den WLAN-Anschluss und den PC im Hauptgebäude konnte ich immer „vernetzt“ bleiben und das Essen wurde für mich immer extra „weniger scharf“ zubereitet. Ich habe das Wäschewaschen per Hand erlernt und das Duschen aus einem Eimer. Und noch viele weitere 


Michael, Juni - Juli 2013

Die 32 Tage, die ich insgesamt in Indien verbrachte, waren von vornherein mehr als ein Besuch denn als ein Praktikum ausgelegt. So bekam ich auch die Gelegenheit, eine ganze Reihe verschiedener Orte in Indien kennen zu lernen. 

Als erstes war ich in Mysore im Kloster untergebracht. Vater Bena, der dort arbeitet, hat mir in diesen Tagen die Stadt gezeigt und mich zu Besuchen bei verschiedenen (meist armen) Familien mitgenommen. Im Kloster selber lernte ich ausserdem Stella, die Haushälterin, sowie deren Mann und ihre drei Kinder kennen. Stella ist eine sehr nette Frau, sie ist etwa so alt wie ich. Obwohl sie nie zur Schule gehen konnte (sie stammt aus einem sehr armen Dorf, die Eltern hatten kein Geld), spricht sie fliessend Englisch, was sie sich allein durchs Hören im Laufe ihrer Arbeit angeeignet hat. Ihr Mann dagegen spricht nur wenige Sätze Englisch. Die beiden haben bis vor wenigen Jahren weit weg vom Kloster mit ihren Kindern in einem kleinen Dorf gelebt und waren sehr arm. Vater Bena hat mir erzählt, dass sowohl ihr Mann als auch der kleine zweijährige Sohn stark unterernährt waren, als er die junge Familie damals zu sich ins Kloster geholt hat. Nun führen sie hier den Haushalt, kochen, putzen und kümmern sich um gelegentliche Gäste (wie mich). 

Was das Essen anbelangt, so habe ich hier von Anfang an darum gebeten, es für mich nicht so scharf zuzubereiten, wie das in Indien sonst üblich ist. Das hat Stella dann auch gemacht. Wobei das Essen meist aus Reis mit einer Beilage bestand. Zusätzlich habe ich mir im nahen Supermarkt noch Cornflakes und Milch besorgt. Sogar Spaghetti hab ich dort bekommen.

 Wie ich im Vorfeld verschiedentlich vernommen hatte, bekommt für gewöhnlich die Hälfte aller Indienreisenden über kurz oder lang Magenprobleme. Das war auch bei mir nicht anders, obwohl ich, wie gesagt, auf scharfes Essen verzichtet habe. Das war allerdings nur an einem Tag der Fall. Dummerweise war es genau der Tag vor meiner Weiterreise nach Bhatkal. Dort sollte ich den Geburtsort von Vater Bena kennenlernen.

Von Mysore nach Bhatkal sind es zwischen 400 und 500 km. Da Autobahnen in Indien (so hatte ich jedenfalls den Eindruck) über weite Strecken nicht vorhanden sind, bedeutet das mit dem Bus eine mindestens 10-stündige Reise. Vater Bena hatte hierfür extra einen besonders guten Bus für mich organisiert, in dem es Schlafplätze gab. Die Fahrt würde am späten Abend um 22 Uhr starten. Wie zuvor erwähnt hatte ich aber genau an diesem Tag Probleme mit meinem Magen bekommen. So war ich mir während des ganzen Tages alles andere als sicher, ob ich diese lange nächtliche Reise tatsächlich würde antreten können. Doch ich hatte Glück im Unglück: Etwa zwei Stunden vor Abfahrt des Busses musste ich schliesslich erbrechen. Danach war mein Magen erst einmal still, so dass die Reise wie geplant starten konnte. Ich war dabei nicht allein. Paul Nzuki, ein Freund von Vater Bena, der zusammen mit ihm Recht studiert hatte, begleitete mich. Der Bus hatte wirklich westeuropäischen Standard. Von den Strassen liess sich selbiges leider nicht behaupten. Die zentrale Folge davon war im Wesentlichen, dass ich während dieser 10-stündigen nächtlichen Busfahrt kaum ein Auge zumachen konnte. Am darauffolgenden Morgen war ich entsprechend müde und in nicht sehr vertrauenserweckender Verfassung. Als der Bus schliesslich in einem kleinen Vorort von Bhatkal hielt und ich zusammen mit Paul Nzuki und meinem Gepäck nach draussen auf die Strasse trat, fühlte ich mich richtiggehend benebelt. Das hatte allerdings auch mit der ausserordentlich hohen Luftfeuchtigkeit zu tun, die hier an der Küste herrschte. Dazu muss ich erwähnen, dass ich ja mitten in der Regenzeit nach Indien gekommen bin. In Mysore selbst hatte es zuvor nur wenig geregnet. Hier in Bhatkal sah das anders aus. Ich war kaum in meiner von Vater Bena organisierten Unterkunft (im Hause seines Bruders) angekommen, als es auch schon wie aus Kübeln zu regnen begann. Um das etwas zu verdeutlichen: Stehe eine Minute lang in diesen Regen und du bist fast genauso nass, als wenn du mitsamt deinen Kleidern in ein Schwimmbad gesprungen wärst. 

Im Haus von Vater Benas Bruder hab ich mich dann erst einmal auf das mir zur Verfügung gestellte Bett gelegt und einige Stunden geschlafen. Einen Tag später kamen schliesslich zwei junge Damen namens Leena und Teena vorbei. Die beiden waren Schwestern und gute Bekannte von Vater Bena. Dieser hatte Leena gebeten, mich hier in der Gegend ein wenig herum zu führen. Als erstes gingen wir aber in das nur wenige Minuten entfernte Haus, in dem die beiden zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder wohnten. Dort gefiel es mir so gut, dass ich die beiden fragte, ob es möglich wäre, dass ich meine Zeit in Bhatkal hier bei ihnen verbringen dürfte. Das erschien mir auch deswegen sinnvoll, weil Leena mich dann, um mir die Gegend zu zeigen, nicht immer erst im Hause von Vater Benas Bruder würde abholen müssen.

Das Haus war sehr neu, der obere Stock war noch nicht fertig ausgebaut. Dass sich diese Familie ein solches Haus überhaupt leisten konnte, lag im Wesentlichen an der Tatsache, dass der Vater das ganze Jahr über in Dubai lebte und dort arbeitete. Dadurch verdiente er umgerechnet um die 800 Euro, was für indische Verhältnisse sehr viel ist. So konnte er seiner Familie nicht nur den Bau dieses Hauses ermöglichen, sondern seinen Kindern auch eine gute Ausbildung bezahlen. Der Preis dafür war allerdings, dass der Vater seine Frau und seine inzwischen erwachsenen Kinder nur ganz selten zu Gesicht bekam. Und das schon seit 19 Jahren. Besserung war insofern in Sicht, als Leena mir davon erzählte, dass sie beabsichtige, nun nach Beendigung ihrer Ausbildung selber nach Dubai zu gehen und dort zu arbeiten und das Geld nach Indien zu schicken, so dass ihr Vater die Möglichkeit hatte, nach Hause zu seiner Familie zu kommen. Ich fand das sehr beeindruckend und fragte mich, wieviele Junge in meinem Alter hier in Westeuropa wohl zu etwas Derartigem bereit wären. Ein anderer Aspekt ist das Heiraten. Leena ist jetzt etwa 22. Sie hat mir einmal gesagt, dass sie, wenn sie 26 ist, gerne heiraten würde. Sollte sie bis dahin keinen Mann gefunden haben, so würde sie ihre Eltern bitten, einen für sie zu suchen. Eine "arranged marriage" also, keine "love marriage". Wie ich hörte, werden in Indien nach wie vor etwa 60 Prozent der Ehen von den Eltern arrangiert. 

Das wirklich Interessante daran ist aber, dass die Töchter (und auch die Söhne) damit offenbar überhaupt kein Problem haben, ja vielmehr es fast schon von ihren Eltern erwarten, dass diese den richtigen Partner oder die richtige Partnerin für ihre Kinder organisieren. Offenbar empfinden sie das als leichter, als wenn sie sich selber darum kümmern müssten, den oder die Richtige zu finden. Leena meinte, ihre Eltern würden sie ja am besten kennen und so auch am besten wissen, welcher Mann der Richtige für sie sei. Auch schon die Ehe ihrer Eltern wurde ja von deren Eltern arrangiert.   Nebenbei: Das eigenständige Finden eines Partners ist in Indien wohl auch nicht so einfach, da es allgemein nicht üblich zu sein scheint, dass eine Frau mit einem fremden Mann spricht. (Mal abgesehen davon, wenn sie nach dem Weg gefragt wird oder dergleichen.) Auch ist mir aufgefallen, dass Frauen und junge Mädchen sehr schnell wegschauen, wenn sie von einem fremden Mann angeschaut werden. Auch Gelegenheiten, jemanden etwa in einer Disco kennen zu lernen bestehen nicht. Tanzlokale sind dort nur für Paare gedacht. Die einzige Möglichkeit für eine Frau, einen Mann zu finden, besteht also innerhalb des eigenen Verwandten- und Bekanntenkreises sowie in Schule oder Studium. Insgesamt war ich neun Tag lang im Haus von Leena und Teena. Danach hat mich der Bruder von Vater Bena wieder abgeholt und zum Haus seiner Schwester gebracht, wo ich die nächsten elf Tage verbringen sollte. Das war in einem kleinen Dorf in der Nähe von Kumta. Dort lebt die Schwester von Vater Bena zusammen mit ihren beiden noch minderjährigen Töchtern. Der Mann arbeitet in Mumbai, bekommt seine Familie also auch nicht besonders häufig zu Gesicht. Während der Zeit, die ich in diesem Haus verbrachte, sind wir einige Male im nahen Kumta einkaufen gegangen (stets mit den kleinen Rikschas, die überall auf den Strassen auf Kunden warten). Daneben hab ich viel Zeit mit den beiden Mädchen verbracht (das eine war 13, das andere 10 Jahre alt). Beide hatten grosse Freude an meinem Netbook, das ich stets mit mir herumtrage, wenn ich auf Reisen gehe. Computer sind vor allem auf dem Land in Indien nicht sehr verbreitet. Am liebsten mochten sie das Malprogramm Paint. Daneben wollte das grössere der beiden Mädchen unbedingt Tastaturschreiben lernen. Offenbar hat es ihr Eindruck gemacht, mich im 10-Finger-System über die Tasten flitzen zu sehen. An einem Nachmittag kam eine Schulfreundin des zehnjährigen Mädchens zum Spielen vorbei. Als sie gegen Abend wieder nach Hause musste, wurde sie von uns allen nach Hause begleitet. Dort lernte ich ganz unverhofft ihren 14-jährigen Bruder namens Prasanna kennen, der, als er mich sah, ausserordentlich neugierig wurde und viele Fragen hatte. Dazu muss ich anmerken, dass Menschen aus dem Westen in Indien nach wie vor eine Besonderheit darstellen und dies ganz besonders auf dem Land. Wenn man da irgendwo durch die Strassen geht, kann man sich Dutzender neugieriger Blicke sicher sein. Prasanna erzählte mir auch, dass viele Inder sich wünschen, weisse Haut zu haben, so wie wir hier im Westen. Das hatte ich bereits zuvor in Mysore von Stellas Mann gehört, der mir mal an den Arm gefasst und dazu gesagt hatte, er hätte auch gerne so weisse Haut wie ich. Daraufhin habe ich Prasanna erklärt, dass die Menschen im Westen es gar nicht so sehr mögen, weiss zu sein und im Sommer zu Tausenden an die Strände flüchten, um möglichst schnell möglichst braun zu werden (so wie die Menschen in Indien von Natur aus aussehen). Letztlich ist es doch stets so: Was ich hab, das will ich nicht und was ich will, das hab ich nicht.   

Die Gespräche, die ich mit Prasanna geführt habe, waren tatsächlich sehr unterhaltsam. Er ist denn auch nach diesem Abend mehrfach beim Haus von Vater Benas Schwester vorbeigekommen, um sich mit mir zu unterhalten. Dabei haben wir auch über seine Religion gesprochen (Prasanna ist Hindu). Und ich habe ihm meine Religion (Christentum) erklärt. Da Vater Benas Schwester (sie ist Christin) eine Bibel in Prasannas Muttersprache besitzt, konnte ich Prasanna sogar einige bekannte Texte wie etwa die Bergpredigt zum Lesen geben.  Auf Englisch wäre das für ihn wohl etwas zu schwer verständlich gewesen. Für mich allerdings war das Auffinden der entsprechenden Stellen in der für mich völlig fremden Schrift nicht ganz leicht und letztlich nur dank der Kapitel- und Versnummern überhaupt möglich. Nebenbei bemerkt gibt es in diesem Teil Indiens neben Hindus und Christen auch sehr viele Moslems. Welcher Konfession diese genau angehören weiss ich nicht, jedoch ist es üblich, dass die moslemischen Frauen dort mit kompletter Verschleierung herumlaufen. Das hat mich am Anfang schon etwas erstaunt, vor allem weil es ja in Indien so heiss und feucht ist. Ich glaube, ich würde einen Herz-Kreislaufkollaps bekommen, wenn ich bei dieser Hitze so viel Kleidung tragen müsste. Als ich in der Woche zuvor Teena mal danach fragte, meinte sie bloss, das sei eben deren Tradition, die Frauen seien sich das gewohnt und sie würden das auch nicht ständig tragen, sondern nur in der Öffentlichkeit.   

An meinem letzten Tag im Hause von Vater Benas Schwester sind einige junge Männer aus dem Dorf vorbeigekommen, die darum baten, dass ich mit ihnen zusammen zu einem nahen Fluss kommen möge, um Aufnahmen davon zu machen, wie sie von der Brücke aus ins Wasser springen. Dem Wunsch bin ich nachgekommen. Interessant ist hierbei übrigens, dass es wirklich ausschliesslich die Männer sind, die schwimmen gehen. Von sämtlichen Frauen oder Mädchen, die ich im Laufe dieses Monats danach fragte, bekam ich zu hören, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie in einem Fluss oder See oder im Meer schwimmen gewesen waren. Alle sagten mir, dass sie überhaupt nicht schwimmen könnten. Das ist etwas, was in dieser Kultur einfach nur die Männer tun.   

An diesem Abend kam Paul Nzuki, der mich zwei Wochen zuvor von Mysore nach Bhatkal begleitet hatte (und danach zurück nach Mysore gefahren war) bei Vater Benas Schwester vorbei, um hier zu übernachten und mit mir am Tag darauf gemeinsam mit dem Zug für vier Tage nach Goa zu fahren. Das war von hier aus gar nicht so weit. Leider hat es dann aber in Goa mehrheitlich nur geregnet. Ausserdem wurde ich dort krank. Ich bekam zwar kein Fieber, jedoch erhöhte Temperatur und fühlte mich denn auch die meiste Zeit über erheblich zu schlapp, um mehr zu tun, als im Hotelzimmer im Bett zu liegen. Immerhin sind wir zuvor aber noch in Old Goa bei der Se Cathedral Church gewesen und ausserdem in einem Reisebüro, da ich mich entschlossen hatte, an meine gut vier Wochen Indien spontan noch zwei Wochen Thailand anzuhängen. 

Danach ging es zurück in Richtung Mysore. Genauer gesagt nach Bangalore. Vater Bena riet mir nämlich dringend davor ab, zu diesem Zeitpunkt nach Mysore zu kommen, da dort Dengue-Fieber ausgebrochen sei. Er selber hatte in den vergangenen Wochen mehrere Tage im Krankenhaus verbracht (vermutlich wegen Dengue-Fieber). Zum zweiten Mal trat ich nun also eine nächtliche (diesmal 12-stündige) Busfahrt an, ohne dabei so recht gesund zu sein (und selbstverständlich aufgrund der holprigen Strassen ohne echte Chance auf Schlaf). Das änderte sich auch später nicht, als wir in Bangalore auf Hotelsuche gingen und ich mir ernsthaft überlegte, meinen Abstecher nach Thailand wegen meines zweifelhaften Gesundheitszustandes sausen zu lassen (der ursprüngliche Flug zurück in die Schweiz war ja noch gültig und wäre exakt am Morgen dieses Tages gewesen). Abgesehen davon mochte ich die Aussicht nicht, die nächsten paar Tage alleine hier in einem Hotel verbringen zu müssen, da Paul Nzuki wegen eines dringenden Termins zwingend zurück nach Mysore musste. Schliesslich hat Vater Bena aber für die paar Tage noch einen Platz in einem nahen Kinderheim für mich organisiert. So travellierten Paul und ich noch ein paar Stunden durch das sehr überfüllte, lärmige Bangalore, bis wir beim Daughters of St. Francis de Sales-Kinderheim am Rande von Bangalore ankamen, wo ich mich endlich in einem ruhigen Raum hinlegen und ein paar Stunden schlafen konnte. Mit meiner Gesundheit sollte es allerdings auch einen Tag später noch nicht besser werden, so dass ich schliesslich meine (vom Tropenarzt in der Schweiz erhaltenen) Breitband-Antibiothika zu mir nahm, worauf sich die Situation ziemlich schnell verbesserte. 

So verbrachte ich schliesslich die wenigen Tage bis zu meiner definitiven Abreise aus Indien damit, das Kinderheim zu besichtigen und mit den Kindern zu spielen. Um genau zu sein waren es nicht nur Kinder sondern auch viele Teenager. Allesamt Mädchen, und eines neugieriger als das andere. Vor allem bettelten alle ständig darum, dass ich ein Foto von ihnen machen solle. Viele von ihnen konnten übrigens erstaunlich gut Englisch. Das gilt auch für die Schwestern, die das Kinderheim leiten.

Die meisten dieser Mädchen hatten nur noch einen Elternteil, manche waren auch Vollwaise. Tagsüber gingen sie ausserhalb des Kinderheimes zur Schule, in dieser Zeit herrschte in den Gängen des Kinderheimes jeweils Totenstille, die aber sofort nach Ankunft der Mädchenschar von tosendem Lärm erfüllt wurde. Nachmittags war Arbeitszeit. Alle Mädchen hatten ihre ihnen zugewiesene Tätigkeit draussen im Garten. Dazu gehörte vor allem das Sammeln von Holz (fürs Feuer unterm Kochtopf), sowie auch das Waschen der eigenen Kleidung (gewaschen wurde selbstverständlich von Hand). Abends erfolgte dann das gemeinschaftliche Gebet. Zweimal täglich kam auch ein Traktor mit einer Ladung Wasser vorbei, da der Wasserbrunnen, aus dem für gewöhnlich das Wasser bezogen wurde, schon seit Monaten leer war. Obwohl momentan in Indien Regenzeit war, hatte es in der Gegend von Bangalore noch so gut wie gar nicht geregnet (dafür in Goa viel zu viel). So herrschte allerorten Wassermangel und das Wasser musste für viel Geld von ausserhalb eingekauft werden. Eine der Schwestern sagte mir, sie würden derzeit für das Wasser monatlich mehr Geld ausgeben als für das Essen. An einem dieser wenigen Abende habe ich den Mädchen an meinem Netbook einige Filmaufnahmen aus der Schweiz, sowie ein paar kurze Videos von Youtube gezeigt. Wenn man bedenkt, dass der Bildschirm meines Netbooks bloss 11,6 Zoll gross ist, kann man kaum glauben, dass es möglich ist, dass 30 bis 40 Mädchen sich darum herum versammeln und auch noch etwas sehen können. Die Zeit in diesem Kinderheim verging wie im Flug. Schliesslich kam der 7. Juli und Paul Nzuki kam von Mysore zurück, um mich hier in Bangalore zum Flughafen zu begleiten.   

Im Rückblick muss ich tatsächlich sagen, dass ich in diesem einen Monat Indien wirklich ausserordentlich viel gesehen habe. Damit meine ich nicht irgendwelche kulturellen Sehenswürdigkeiten. So etwas hat mich nie interessiert. Was ich meine, sind die vielen verschiedenen Menschen, denen ich in dieser relativ kurzen Zeit in Indien begegnet bin. Das war schon sehr bereichernd und auf jeden Fall wesentlich abwechslungsreicher, als wenn ich zu Hause in der Schweiz im Keller vor meinem Computer geblieben wäre (wo ich inzwischen wieder sitze).


Deborah, Juni - Juli 2012

Ich schon wieder sehr in die deutsche Welt eingetaucht, obwohl die indischen Erlebnisse noch sehr nachklingen. Es war für mich eine sehr intensive Zeit in einer total anderen Welt, die auch sehr viele Fragen in mir wachgerüttelt hat. Ich bereue es aber auf keinen Fall, dass ich dort war.

Ich fand die vielen verschiedenen Eindrücke, das Kennenlernen anderer Lebensrealitäten, die Begegnung und das Kontakte knüpfen mit den Menschen (selbst, wenn man sich gar nicht so viel mitteilen konnte) total bereichernd. Manchmal muss man aber auch einfach aushalten, dass man in einer völlig anderen Kultur mit einer fremden Sprache, nicht so kompetent ist. Für mich als einen aktiven Menschen, war es manchmal herausfordernd auszuhalten, dass ich auch einfach mal keine Aufgabe hatte. Ich konnte in den Schulen (für taubstumme und normale Kinder) mithelfen und manchmal auch nur indischen Schulalltag beobachten. Die Freizeit der Kinder hab ich total gern mit ihnen verbracht, von ihnen gelernt oder ihnen etwas neues gezeigt. In den letzten Tagen hatte ich die Möglichkeit ein paar Kindern ein bisschen „Zirkus“ (Akrobatik) zu zeigen und mit ihnen zu üben. Das war mit eine der Sachen, die mir am meisten Freude gemacht haben! Zwischendurch hab ich überall vorbeigeschaut, was noch so zu dem Kloster gehört hat: in der Küche, im Kuhstall, bei den Nonnenlehrlingen...

Es ist ja ganz normal, dass man in einer fremden Kultur und Sprache weniger kann und auf die anderen angewiesen ist, aber ich freue mich jetzt nach einer Zeit des Assistierens auch wirklich darauf richtig in Deutschland mit Arbeiten anfangen zu können. :)

Wenn ich am Wochenende etwas unternehmen wollte, dann war es sehr unkompliziert und ich war sehr frei in der Gestaltung. Die Schwestern waren mir sehr wohlgesonnen. Als Gast hat man oft so einen besonderen Status, den man eigentlich gar nicht unbedingt haben will. Aber das gehört eben zur Gastfreundschaft dazu. Trotzdem war ich froh, dass sie mir erlaubt haben mit beim Abwasch zu helfen und irgendwann aufgehört haben, extra Essen für mich zu machen :) und das indische Essen vermisse ich ja fast ein bisschen!

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